Vorgeblicher Schutz, Vergebliche Maßnahmen: Überblick über Deutschland’s neues Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchg)
Sexarbeiter*innen und Unterstützer*innen demonstrieren gegen das ProstSchG vor dem Bundesfamilienministerium © 2015 Emy Fem
ICRSE präsentiert Briefing Paper über
neues deutsches ‘Prostituiertenschutzgesetz’
[English-language version here]
Anlässlich des Internationalen Hurentags, der an jedem 2. Juni der Besetzung der Saint-Nizier-Kirche im franzöischen Lyon im Jahr 1975 durch 100 Sexarbeiterinnen feierlich gedenkt, präsentiert das Internationale Komitee für die Rechte von Sexarbeiter*innen in Europa (ICRSE) ein Briefing Paper mit dem Titel „Vorgeblicher Schutz, Vergebliche Maßnahmen: Überblick über das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchg)“.
Das Briefing Paper wurde vom ICRSE in Zusammenarbeit mit Hydra e.V. und dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) e.V. mit dem Ziel entwickelt, sowohl politischen Entscheidungsträger*innen als auch Sexarbeiter*innen und ihren Unterstützer*innen eine Analyse des neuen deutschen „Prostituiertenschutzgesetzes“ und dessen erwarteten Auswirkungen auf Sexarbeiter*innen anzubieten, sowie Empfehlungen der Gemeinschaft von Sexarbeiter*innen zu unterbreiten.
Wie darin erklärt, hegt das ICRSE ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, mit der das „Prostituiertenschutzgesetz“ die Grundrechte von Sexarbeiter*innen untergräbt. So beschränken die Anmeldepflicht und die Möglichkeiten, Anordnungen gegenüber Sexarbeiter*innen zu erlassen, das Recht auf freie Berufswahl, und die weitreichenden Überwachungsmöglichkeiten, die das ProstSchG den Behörden gegenüber Sexarbeiter*innen einräumt, verletzen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Besonders schwer wiegt die Speicherung persönlicher Daten in Verbindung mit Informationen zum Sexualleben einer Person, denn sie verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Richtlinie des Europäischen Parlaments zum „Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“. In Anbetracht der Tatsache, dass ein absolut sicherer Datenschutz unmöglich gewährleistet werden kann, ist die zukünftige Datenerhebung damit höchst problematisch.
Fazit
Das „Prostituiertenschutzgesetz“ ist in der Form, in der es am 1. Juli 2017 in Kraft treten wird, nur vorgeblich ein Gesetz zum Schutz von Sexarbeiter*innen und die darin enthaltenen Maßnahmen sind vergeblich, um Sexarbeiter*innen auf der einen Seite und Betroffene von Menschenhandel auf der anderen nachhaltig zu unterstützen. Stattdessen werden insbesondere in Wohnungen gemeinsam arbeitende Sexarbeiter*innen sowie migrantische, transidente, und anderweitig spezifisch vulnerable Sexarbeiter*innen von diesem Gesetz in die Illegalität gedrängt. Wo Schutz draufsteht, ist daher in großen Teilen schlicht ein Gesetz zur Verdrängung der Sexarbeit enthalten.
Wir laden Sexarbeiter*innen und politische Entscheidungsträger*innen dazu ein, das Briefing Paper aufmerksam zu lesen und die Empfehlungen der Gemeinschaft von Sexarbeiter*innen zu beachten.
Download
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Impressum
Autorinnen: Angela Herter and Emy Fem
Co-Autor und Lektor: Matthias Lehmann (Research Project Germany)
Übersetzung: Ursula Probst
Design: Aleksandra Haduch
Fotos: Matthias Lehmann und Emy Fem
Dieser Artikel wurde zuerst am 31. Mai 2017 in englischer Sprache unter dem Titel “Sex Workers’ Rights Day: ICRSE launches Briefing Paper on Germany’s new ‘Prostitutes Protection Act’” auf der Website des Internationalen Komitees für die Rechte von Sexarbeiter*innen in Europa (ICRSE) veröffentlicht. Reproduziert mit freundlicher Genehmigung.